23.09.2021

Tesla und Elon Musk - welche Einwände gibt es und welche davon sind gerechtfertigt? Ein Kommentar

Von Elena Kornettka

Tesla und Elon Musk

Was ist dran an Vorwürfen, welche Einwände gibt es und welche davon sind gerechtfertigt?
Die Marke Tesla und der umstrittene Konzernchef Elon Musk.

Tesla, Musk, Autopilot. Jede*r die*der sich für Elektromobilität interessiert, kommt wohl kaum an diesen Begriffen vorbei. Wieso ist der Tesla-Konzern so medial präsent und woher kommt die ständig präsente Verbindung zum Chef Elon Musk? 
Eine einfache Internet-Suche nach dem Automobilhersteller spuckt zwar eine gemischte Palette verschiedener Themen aus, allerdings werden die doch schwerwiegenden Kritiken gerne von Nachrichten über Innovation und Forschung überschattet.


Elf Vorfälle durch Autopiloten gab es von 2018 bis 2021 mit Tesla-Fahrzeugen: 17 Verletzte durch Unfälle, bei denen Menschen in haltende Notfallfahrzeuge, Ampeln, Bäume, etc. gefahren sind – oder gefahren worden sind. Musk korrigierte zwar seine Timeline zur Einführung des Self-Driving Systems, weicht allerdings nicht von seinem Vorhaben zurück. Der Autopilot sei lediglich ein Assistenzsystem. Unfälle entstünden dann, wenn Fahrer*innen sich, entgegen der Empfehlung, vollständig auf die Technologie verließen. Zudem äußerte sich auf Twitter kritisch gegenüber der Berichterstattung: “It’s super messed up that a Tesla crash resulting in a broken ankle is front page news and the ~40,000 people who died in US auto accidents alone in past year get almost no coverage” Lässt sich Musk auf seinem privaten Account über die seinerseits empfundene Unverhältnismäßigkeit der Dramatik aus.


Im April 2021 verunglückten zwei Männer in einem Tesla Model S tödlich, wobei der mutmaßlich stark alkoholisierte Fahrer während der Fahrt auf der Rückbank platznahm und die Steuerung vollständig der Software überließ. Diese sei, so Musk für ein Umfeld ohne Straßenmarkierungen – wie es am Unfallort der Fall gewesen war – nicht aktivierbar. Zudem warnt das Auto mit haptischen und hörbaren Signalen, wenn die Hände eine zu lange Zeit vom Lenkrad entfernt werden.
(Für eine überraschend detailliert gepflegte Auflistung aller Unfälle mit Tesla-Fahrzeugen von 2013 bis 2019 klicken Sie HIER…)

Es scheint sich abzuzeichnen, dass die „Full Self-Driving“ Software den Erwartungen, die der Name des Autopilot-Konzepts impliziert, gegebenenfalls noch nicht vollständig entspricht. Dass der Konzern in der Entwicklung und schrittweisen Implementierung des Systems jedoch neue Maßstäbe setzt, ist ebenso wenig von der Hand zu weisen.
Wie sieht es mit den anderen Bereichen aus, für die Tesla insbesondere in Deutschland mehr und mehr in die öffentliche Wahrnehmung gerät?
Fangen wir mit der Gigafactory Grünheide an.

"Das ist vollkommen falsch. Es gibt hier überall Wasser. Sieht das hier für Sie aus wie eine Wüste?"


Rassismus, schlechte Arbeitsbedingungen, 7-Tage-Woche. All das sind Vorwürfe, denen Tesla in der Öffentlichkeit ausgesetzt ist. Meist meldet sich lediglich Musk – gerne via Twitter – zu Wort und streitet ab, oder lacht lauthals über geäußerte Bedenken. So auch, als eine Journalistin ihn, während seines Deutschland-Aufenthalts über die Wasser-Problematik im Trinkwasserschutzgebiet Grünheide in Brandenburg befragt, auf dem die „Gigafactory“ entstehen soll. Dass der lokale Wasserverband die Wasserbestände vor Ort als zu knapp für den Bau der Fabrik einstuft, belustigt den Tesla-Chef merklich: "Das ist vollkommen falsch. Es gibt hier überall Wasser. Sieht das hier für Sie aus wie eine Wüste?". Die dort so präsenten Grünflächen und Gewässer stehen jedoch nicht zwangsläufig für endloses Wasservorkomme – dies ist Musk wohl nicht bekannt, oder schlichtweg egal. 


Giga Berlin?


Die geplante Gigafactory in Grünheide ist der derzeit medial präsenteste Schmerzpunkt hinsichtlich Tesla in Deutschland. Zwar haben die Bauarbeiten bereits begonnen, eine endgültige Zusage für das Bauvorhaben gibt es indes immer noch nicht. Mittlerweile positionieren sich mehr als 800 Bürger*innen politisch wirksam gegen den Bau des Werks, sodass der Erörterungstermin über die Entscheidung zur endgültigen Baugenehmigung abermals vertagt wurde. Seit 2020 werden im Naturschutzgebiet bereits Wälder gerodet – alles unter Vorabgenehmigung. 92 Hektar fielen dem Bauvorhaben innerhalb weniger Wochen zum Opfer. Erst kürzlich kamen weitere Forderungen an die Öffentlichkeit: Die Verantwortlichen für den Bau der Factory fordern von der Brandenburgischen Landesregierung die Verlegung des Bahnhofes “Fangschleuse“ um zwei Kilometer auf das Gebiet der Gigafactory. 50 Millionen Euro, die vollständig die Landesregierung übernimmt. Nicht nur das ist bedenklich, sondern auch, dass diese Investition als bei der EU-Kommission meldepflichtige Beihilfe bewertet wird. So helfe die Maßnahme nicht der „breiten Allgemeinheit“, sondern lediglich Tesla und sei damit eindeutig eine Subvention.

Hinter dem insgesamt 5,8 Milliarden Euro schweren Investitionsvorhaben des Baus der Factory als wirtschaftspolitisches Prestigeprojekt, scheinen nicht nur moralische, sondern auch ökologische Bedenken, wie z.B. solche, die hinsichtlich Wasserknappheit und daraus resultierender Trinkwasserversorgung bestehen, zurückzutreten. 40.000 Arbeitsplätze sollen dort entstehen. Der brandenburgische Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) erhofft sich Zugriff sowohl auf den deutschen als auch den westpolnischen Arbeitsmarkt. Die brandenburgische Landesregierung erfährt durch die Diskussion um die Factory eine Debatte über Prestige und Neid, die an die Stelle des vorherigen, mitleidsbehafteten Diskurses über die Wirtschaftssituation in BB tritt. Der Kontakt der einzelnen Politiker – das Gendersternchen wäre an dieser Stelle *leider* Fehl am Platz – zu Musk scheint den einzelnen Verantwortlichen als Profilierung zu dienen. In Interviews wirken sie stolz und geschmeichelt über die direkte Zuwendung des zweitreichsten Mannes der Welt.

Elon Musk


Wer ist Elon Musk überhaupt? Wer verbirgt sich hinter dem ewig lächelnden Nerd, dessen Handlungsmaxime durch Fortschritt und Innovation, weniger allerdings durch moralische Überlegungen geprägt zu sein scheinen?

Der 50-jährige Südafrikaner Elon Musk, dessen Vermögen auf über 182 Milliarden Dollar geschätzt wird und in einem 35 qm großen Tinyhouse in Texas wohnt, programmierte schon mit 12 das erste Computerspiel, weitere 12 Jahre später gründete er sein erstes Start-Up. Paypal und SpaceX sind neben Tesla die wohl bekanntesten Projekte Musks, die ihn zum zweitreichsten Mann der Welt machten. Nicht zu vergessen ist jedoch, dass Tesla große Antrittsschwierigkeiten hatte und erstmalig 2016 schwarze Zahlen schrieb. Allerdings läutete Musk mit Tesla wohl die Revolution in der Branche um Elektromobilität ein, gleiches erhofft sich Musk für die Weltraumfahrt mit „SpaceX“. Musk entwickelt Raketen, die wiederverwendbar sind und bei der Rückkehr nicht in der Erdatmosphäre zerschellen, bzw. ins Meer stürzen.
Dass Musk Kritik ausweicht, oder belächelt, zieht sich allerdings durch seine Vita, wie durch seine Projekte. In Bezug auf SpaceX steht das große Ziel, die Raumfahrt auf den Mars auszuweiten über sämtlichen Bedenken, die es zu Magnetfeldern und der Strahlung auf dem Mars gibt.
(Ehemalige) Beschäftigte werfen Musk, der Bewerbungsgespräche angeblich gerne mit Rätseln spickt, vor, die persönlichen Belange der Mitarbeitenden zu übergehen – vielmehr empfände er diese als „Behinderung der Forschung“. Es soll sich zugetragen haben, dass Musk die Abwesenheit eines Mitarbeiters wegen der Geburt seines Kindes zum Anlass nahm, dessen Prioritäten in Frage zu stellen. Dass eben dieser Musk eine 7-Tage-Woche für völlig gerechtfertigt und im Sinne der Innovation für notwendig hält, ist selbsterklärend.


Die Marke Tesla


Trotz allem erfreut sich die Marke Tesla weiterhin großer Beliebtheit. Im 2. Quartal 2021 verkaufte der Elektroautobauer mehr als 200.000 Autos und verdoppelte den Umsatz im Vergleich zum Vorjahr auf 12 Mrd. Dollar – übrig bleibt ein Gewinn von erstmalig über einer Milliarden Dollar. Diese Zahlen sind auf dem Markt bislang nahezu konkurrenzlos, da ähnlich große Automobilhersteller nur einen kleinen Anteil vollelektrischer Fahrzeuge an den Mensch bringen. Die deutsche Automobilindustrie stellt zwar nun die Weichen und investiert bis Ende 2025 etwa 150 Mrd. Euro in den Ausbau von E-Mobilität, lediglich Volkswagen strebt allerdings an, schon in 2021 etwa eine Million vollelektrischer Pkw auszuliefern. 

Musk sieht das Auto als „dritten Ort“ zwischen Arbeit und Zuhause – gespickt mit Software, Gimmicks und Komfort ziehen die verschiedenen Tesla-Modelle auch jene an, die bspw. die Integration des Self-Driving Computers anfänglich vielleicht abschreckt.
Dass die Batterien in den Autos in der Entwicklung hin zu Energiespeichern sind und die stetige Investition in Ladeinfrastruktur macht Tesla zum Leader für Technologie und besticht durch einfache, zugängliche Software auf einem Markt, der bisher vielmehr durch Hardware geprägt war.


Und nun?


Innovation, Fortschritt und neue Gedanken in der Automobilindustrie sind ein ebenso wichtiger Teil der Mobilitätswende, wie Verhaltensänderung auf Seiten der Individuen, Ermöglichung derer durch politische Anreize, sowie der Ausbau regenerativer Energien.
Weiterhin gibt es zu viele Menschen, die auf den Pkw angewiesen sind – für jene sollte Elektromobilität eine Alternative ohne Eintrittsbarriere sein. Dass Tesla als Pionier vorangeht und nicht nur Maßstäbe setzt, sondern auch Anreize schafft und somit den Markt belebt, ist an sich erstmal “gut”. Ebenso wenig steht allerdings zur Debatte, dass Technologie und infrastruktureller Fortschritt jedoch nicht auf Kosten von Arbeitsbedingungen und Moral gefördert werden sollten.
Das Produkt, die Idee, oder die Marke vom Konzernchef abzugrenzen, bleibt somit eine mögliche Herausforderung für jede*n, die*der eine Kaufentscheidung abwägt. Der Kauf eines Fahrzeugs muss nicht zwangsläufig eine Investitionsentscheidung in den Konzern Tesla sein und kann gleichermaßen als Investition in Fortschritt, oder Ladeinfrastruktur gesehen werden – oder einfach als Kauf eines Fahrzeugs, das (ab einer gewissen Nutzung) “keine” Emissionen verursacht.

Die Meinungen und Diskussionen über das, was Tesla-Fahrer*innen anschließend repräsentieren sind vermutlich ebenso divers wie endlos.

Wir freuen uns über jegliches Feedback, jede Meinung und alle Denkanstöße unter kommunikation@gls-mobilitaet.de!